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Auf ein (gutes) Neues! (Teil I)

15. Januar 2010

Wir müssen Abschied nehmen. Ein weiteres Jahr ging ins Land, und es war ein Jahr voller Fröhlichkeit und Heiterkeit. Wer denkt nicht gerne zurück an das Bild des sich Oberkörper-frei räkelnden Pädophilen, der immer wieder stolz auf den Öffentlich-Rechtlichen gezeigt wurde. Nach all den Popstar- und Model-Castings eine erfrischend kreative Art um bekannt zu werden, welche die Fernsehsender gerne unterstützen und aufgreifen. Was kann man sich da noch an medial verwertetem Amateurmaterial mit Kuschelfaktor für 2010 erhoffen?

Und die vielen netten Jugendlichen, die wundersame Metamorphosen in Medienberichten bewirken: aus Mehmet wird Martin, aus einer Messerstecherattacke wird eine Rangelei, eine Gaunerbande wird zur Jugendclique. So macht Journalismus Spaß und ist gleichzeitig fantasievoll. Darauf kann man auch 2010 nicht verzichten.

Aus zwei Gewalttätern, die einen Menschen zu Tode prügeln, weil der sie bei ihrem Drangsalieren von Kindern stört, werden zwei arme Jugendliche, die irgendwie vom Weg abgekommen sind. Sozialromantik, wie ich sie mir auch für 2010 wünsche, und auch gleich von meinem Bundespräsidenten angekündigt bekommen.

Denn Horst Köhlers Weihnachtsansprache ließ nicht zu wünschen übrig.

Wir haben in diesem Jahr Taten erlebt, die uns an die Grenze des Verstehbaren geführt haben […] [Die Taten bedeuten] die Aufforderung, nachzudenken über uns selbst und wie wir zusammenleben […] In uns nagt das Gefühl, dass wir etwas Wichtiges übersehen haben müssen bei der Art, wie wir zusammenleben

Was sagen solche Worte aus? 2010 wird die Ära der Köhler’schen Volksgemeinschaft einläuten. Wir müssen über uns nachdenken, weil wir schuld sind, schuld durch unser mangelhaftes Zusammenleben. Schuld, dass Gewalttäter so handeln, wie sie handeln. Mit dem Jahre 2010 wird auch der Lernprozess (sprich: „change“) einsetzen. Denn bisher verstanden wir Gewalttaten nur unter einzelnen, prägnanten Gesichtspunkten. Entweder unter der Prämisse der sozialen Schicht, sprich: in der Unterschicht kann man gar nicht anders als kriminell werden. Oder über den Fokus auf die verheerende Wirkung von Computerspielen. Eine Stunde täglich führt zu leichten Delikten wie Taschendiebstahl (was man der Beschaffungskriminalität zurechnen muss, PC-Spiele sind auch nicht kostenlos), während mehrere Stunden pro Tag oder mehrere Tage pro Woche mit einem PC-Spiel, womöglich noch einem „Killerspiel“, unweigerlich zum Gewaltexzess führen müssen. Oder wir schauten auf die Gewalttaten unter Einbeziehung der zugänglichen Waffen. Ohne Schusswaffe könnte kein Schüler auf seine Mitschüler schießen. Ohne Messer, gleich ob aus der Schweiz oder aus der Küche, könnte keiner im jugendlichen Esprit einen anderen Menschen auf der Straße abstechen. Unter diesem Gesichtspunkt waren auch neue Waffengesetze sinnvoll.

Aber es war zu klein gedacht, davon gehen wir weg, auch wenn es vorläufig sinnvolle Erklärungsansätze waren. Es ist die soziale Kälte, die vernachlässigte Menschen so verzweifelt, dass sie keinen anderen Ausweg fanden, als Mitmenschen totzuprügeln und abzuknallen. Nicht die Eltern solcher Jugendlichen haben in der Erziehung versagt, sondern wir haben etwas Wichtiges übersehen. Gut, dass unser Bundespräsident etwas mitzuteilen hat, denn beim Handeln geht es über Repräsentieren, Abnicken und Aussitzen nicht hinaus. Wahrscheinlich auch 2010 nicht.

to be continued…

Auf ein (gutes) Neues! (Teil I)
8 Kommentare leave one →
  1. Mecki permalink
    15. Januar 2010 23:52

    Nicht schlecht, wann kommt der zweite teil??

  2. kinderkaffee permalink
    16. Januar 2010 00:00

    Wer denkt nicht gerne zurück an das Bild des sich Oberkörper-frei räkelnden Pädophilen…

    klingt ja schon mal sehr gut 😉

  3. Bernd das Brot permalink
    16. Januar 2010 01:56

    Ich bin gerade das erste mal auf Deinem Blog, deswegen kenne ich Deine anderen Artikel nicht, aber dieser ist großer Mist!

    Natürlich hast Du Recht, wenn Du sagst dass weder das Zugehören zu der Unterschicht zwangsläufig zu Gewalttaten führt, noch und besonders nicht das Spielen von „Killerspielen“. Und Du hast auch Recht, falls ich Dich hier richtig verstehe, dass Du für strengere Schusswaffengesetze plädierst und trotzdem bemerkst, dass das alleine nicht die Lösung sein kann, da beispielsweise Küchenmesser wohl kaum verboten werden können.

    Aber bei Deiner Schlussfolgerung hast Du nicht Recht. Um solche Taten zukünftig zu verhindern müssen WIR selbstverständlich über unsere Gesellschaft nachdenken.
    An dem Zitat von Köhler kann ich insofern nichts verwerfliches sehen. Es reicht nicht festzustellen, dass da Eltern bei der Erziehung versagt haben. Dies alleine würde in Zukunft nicht verhindern, dass andere Eltern auch bei der Erziehung versagen. Sondern WIR müssen darüber nachdenken, was WIR an unserer Gesellschaft ändern können, damit beispielsweise Eltern zukünftig nicht bei der Erziehung versagen, bzw. Kindergärtern, Schulen und das sonstige Umfeld, welches an der Sozialisation beteiligt ist. Oder wie Strafen früher ins Bewusstsein von Tätern gerückt werden können, etc. Allerdings denke ich auch, dass die Lösungen, die Köhler da vorschweben wenig geeignet sind.

    Naja vielleicht unterstelle ich Dir hier auch zu viel und was Du sagen wolltest ist nur nicht so rüber gekommen. Davon abgesehen: Schöner Schreibstil, wirklich lustig geschrieben.

    • 16. Januar 2010 02:17

      Hallo Bernd das Brot,

      danke dir für deine ehrliche Kritik und dein Lob. Ich bin nicht für schärfere Waffengesetze. Das „Interessante“ ist ja gerade, dass seit neuem Küchenmesser unter gewissen Umständen verboten sind. Ich habe das jetzt nicht mehr genau in Erinnerung, aber wenn man ein Messer bei sich führt, ist auch eine gewisse Klingenlänge nicht zu überschreiten. Für mich steht dieses „Wir“ eben in der Tradition dieses Aktionismus, der einfach einen vordergründigen Aspekt ins Zentrum rückt.
      Ich denke, alle genannten Dinge können etwas zur Provokation einer Gewalttat beitragen, im Mittelpunkt steht aber Erziehung und Wertevermittlung. Und da könnte tatsächlich gemeinschaftlich angesetzt werden. Das ist aber etwas anderes, als dieses pathetische „Wir“, was Köhler verwendet. Und letztlich kann nicht alles dem Individuum vom Kollektiv abgenommen werden
      Es geht ja auch darum, dass durch ein ständiges Psychologisieren den Tätern die Verantwortung abgenommen wird.
      Bitte schau dir doch, wenn du Zeit hast, auch ein paar der anderen Artikel an, und lass uns wissen, wie du sie findest oder/und was deine Meinung ist.

      Gruß, Z wie Zonk

      • Za.ch permalink
        24. April 2010 20:56

        „Das “Interessante” ist ja gerade, dass seit neuem Küchenmesser unter gewissen Umständen verboten sind.“

        Wieso seit neustem?
        IIRC war die Regel schon in den 90ern so, das Messer die einseitig geschliffen sind ab 30cm nicht mitgeführt werden dürfen, beidseitig kann ich mich sogar defintiv daran erinnern, das die länge damals in den 90ern verkürzt wurde um etwas gegen die Spring- und Klappmesser in Schulen zu tun mit dehnen jeder damals meinte rumrennen zu müssen.

        Und das ist auch RICHTIG so, den nicht das Küchenmesser ist damit verboten, sondern das rumtragen von Küchernmessern auf der Straße. Sprich das Mitführen solcher Waffen würde eben einen Waffenschein erfordern. Was man damit in der Küche oder am Herd macht ist etwas anderes. Und transportieren ordentlich verpackt ist auch etwas anderes als die Waffe einsatzbereit mitzuführen. Und jetzt erzähl mir nicht das ein anständiges Küchenmesser KEINE Waffe ist, mit einem stumpfen Messer das nicht durch Fleisch wie durch Butter geht möchte ich zumindest keine Zwiebeln schneiden. Und offen im Auto rumliegen oder bei jemanden in der Jackentasche möchte ich solche Messer sicher auch nicht haben.

        Übrigens, nach der Verantwortung der Täter bei Amokläufen zu fragen, ist herzhaft lächerlich. Die Täter sind nichts anderes als Selbstmörder, meist mit viel Hass auf die Gesellschaft oder bestimmte Personen und nicht genug Schneid sich anders zu wehren. Welche Verantwortung sollen solche Selbstmörder noch tragen, die ihre Situation als so unerträglich empfunden haben, das der Tod als attrative Lösung erscheint? Hier über die Verantwortung der Täter zu reden ist so Sinnbefreit wie über Strafverschärfungen für Selbstmordattentäter zu reden. Hier ist tatsächlich die Gesellschaft gefragt ein Umfeld zu schaffen in dem solche Probleme frühzeitiger erkannt werden, aber auch in der überhaupt erst Menschen leben die sich tatsächlich bevor sie sich gegen die Gesellschaft stellen Gedanken über die eigenen Verantwortung machen. Das funktioniert aber nur, wenn solche Überlegungen etwas gesammtgesellschaftliches sind, denn welche Verantwortung der Gesellschaft gegenüber sollte ein Mensch haben, der sich gar nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft fühlt, weil er ohnehin bereits so ausgegrenzt lebt das niemand an seiner Verzweifelung Anteil nimmt. Wenn Köhler also mehr Miteinander statt nebeneinander fordert, dann hat er einfach recht, und zwar aus purem Egoismus, weil soziales Verhalten dem Schutz der eigenen Gemeinschaft dient. Mit offenen Augen ins Verderbnis rennen, und hinterher ALLE Schuld auf den Täter als Sündenbock zu schieben ist einfach sinnlos, genauso sinnlos wie den Täter der letztenendlich natürlich selbst entscheidet was er tut, von Schuld freizusprechen, weil seine Mama ihn nicht lieb hatte oder die Computerspiele so aggressiv machen. Schwarz-Weiß denken funktioniert halt nicht recht gut.

  4. Alrik permalink
    17. Januar 2010 22:39

    Entschuldigung, aber wir haben gar keine Verantwortung. Schon gar nicht für unsere Kinder.
    Wer verantwortlich ist: Der militärisch-mediale-industrielle Komplex, der unsere Kinder auf die Völkerrechtswidrigen Kriege in Afghanistan und auf den Balkan vorbereitet.
    Sagen zumindestens Experten für Jugendgewalt wie Dr. Pfeiffer vom Kriminologischen Institut Niedersachsen – und andere die den Kölner Aufruf unterschrieben haben. 😉
    http://www.gwg-ev.org/cms/cms.php?print=1&textid=1384

    • 18. Januar 2010 18:06

      Wir haben gar keine Verantwortung? Und Eltern haben keine Verantwortung für ihre Kinder? Also da kann ich weder entschuldigen, noch zustimmen. Eher wird Verantwortung immer anderen zugeschoben.
      „Militärisch-medialer-industrieller Komplex“ hört sich schon sehr verschwörerisch an. Es gibt einen Mainstream, bzw. mehrere „Streams“, die oft sehr konzertiert wirken, aber einen einheitlichen Komplex aus Militär, Medien und Industrie, der konsequent handelt, zu sehen, ist doch etwas gewagt.
      Vor allem Völkerrecht und Computerspiele in diesem Zusammenhang? Dort, wo es am schlimmsten in der Welt zugeht, können die meisten sich doch keine Computerspiele leisten. Haben die Taliban zuviel Counterstrike gespielt? Oder fand die Games Convention schon mal im Sudan statt?
      Pardon, ich bin jetzt auch sehr polemisch geworden. Danke für deinen Kommentar.

      Gruß, Z wie Zonk

  5. ich permalink
    12. April 2010 13:44

    durch 68 wurde jede konkrete verantwortung zerredet banalisiert und trivialisiert!
    Der neid als gesellschaftlicherwert institutionalisiert, sog“soziale“ gerchtigkeit – die macht der massenlobies und echte bildung,die H I R N und arbeit voraussetzt durch linkelde
    wissenschaftssimulanten ersetzt. Die wesentlichsten voraussetzungen für das bestehende chaos und den niedergang.Ich darf die wahrheit sagen, kriege keinen bonzenposten, der natürlich nur auf demagogie und linkspopulismus basiert…

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